Ensemble der Künste
Der aus dem neulateinischen insimul ins Französische gelangte Begriff → Ensemble bedeutet zugleich, zusammen. Im Theater wird als Ensemble die Gesamtheit der fest engagierten Schauspielenden und Singenden betrachtet, aber auch eine (kleine) Gruppe gemeinsam Musizierender, etwa als Kammermusikensemble. Das Ensemble-Spiel bezeichnet ein ausgewogenes, harmonisches Miteinander der Agierenden in Drama, Oper, Ballett und Instrumentalmusik. Schließlich definiert der Begriff das Zusammenwirken von mehreren (Gesangs-)Solisten, evtl. auch mit Chor (vgl. Wilpert 237f.; Seeger 208). In der Baukunst beschreibt er der Parkgestaltung. EdK bezeichnet ein (qualitativ nicht näher bestimmtes) synthetisches Zusammenspiel der verschiedenen Künste zugunsten einer komplexen und multifunktionalen Aussage.
Eng darauf bezogen und musikdramatisch spezifiziert ist der Begriff des Gesamtkunstwerks, den Richard Wagner in seinen Schriften Die Kunst und die Revolution (1849), Das Kunstwerk der Zukunft (1849) sowie in Oper und Drama (1851) einführte. Dieser ästhetische Leitgedanke hat seine Wurzeln in der literarischen und musikalischen deutschen Romantik. Der Komponist zielte damit auf die synthetisch-theatrale Einheit von Text, Mitwirkenden, Handlung, Musik, → Bühnenbild und Bühne, die er als bestimmend für das durch ihn zu schaffende ,musikalische Drama‘ der Zukunft ansah. Er definierte sein Gesamtkunstwerk als Gemeinschaft der Künste wie der kollektiv Mitwirkenden. Selbst der in die „Genossenschaft aller Künstler“ integrierte Darsteller soll in seinem „Drange nach künstlerischer Reproduktion der Handlung somit Dichter“ werden (Gregor-Dellin 56).
Bertolt > Brecht, der sich zeitlebens mit Wagner und der Idee des Gesamtkunstwerks kritisch auseinandersetzte, verwendete 1956 in einem Katalogtext zu Zeichnungen des polnischen Grafikers Tadeusz Kulisiewicz den Begriff „Kollektiv selbständiger Künste“ (Brecht, Bd. 23, 413). „Es handelt sich dabei nicht darum, daß das Drama ,sich der Musik‘ bedienen soll, oder die Oper des Textes, oder daß Drama und Oper durch ein besseres Bühnenbild gewinnen sollen. Sondern in ein und derselben Aufführung soll es drei Behandlungen des Themas geben, durch die Dichtung, durch die Musik, durch das Bild.“ (ebd.) Schon 1930 hatte Brecht in seinen Anmerkungen zur Oper ,Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny‘ einen ähnlichen, jedoch qualitativ anders gewichteten Terminus, den der ,Trennung der Elemente‘ benutzt. Er sieht ihn als Alternative zum „Primatkampf zwischen Wort, Musik und Darstellung“ (Brecht, Bd. 24, 79) und zu Wagners Gesamtkunstwerk-Projekt: „Solange ,Gesamtkunstwerk‘ bedeutet, daß das Gesamte ein Aufwaschen ist, solange also Künste ,verschmelzt‘ werden sollen, müssen die einzelnen Elemente alle gleichermaßen degradiert werden […]. Der Schmelzprozeß erfaßt den Zuschauer, der ebenfalls eingeschmolzen wird und einen passiven (leidenden) Teil des Gesamtkunstwerks darstellt.“ (ebd.) Beiden Begriffen Brechts ist gemeinsam, dass sie auf eine jeweils eigenständige Behandlung der → Fabel rekurrieren und die relative Autonomie sowie Individualität der einzelnen an der theatralischen Umsetzung beteiligten Künste hervorheben. Jedoch engt Brecht seine Begriffsbestimmung nicht auf die Künste und die in ihnen Agierenden ein, sondern integriert auch das den theatralischen Prozess konstituierende Publikum, da Neuerungen in den Künsten ebenso eine neue, gesellschaftlich determinierte Haltung des Publikums gegenüber dem Vorgeführten voraussetzen (vgl. ebd. 80).
Brecht, Bertolt: Werke. Große kommentierte Berliner und Frankfurter Ausgabe. Hg. v. Werner Hecht, Jan Knopf, Werner Mittenzwei, Klaus-Detlef Müller. 30 Bde. und ein Registerbd. Frankfurt a. M. 1988–2000; Gregor-Dellin, Martin: Wagner-Chronik. München, Kassel, Basel, London 1983; Seeger, Horst: Opernlexikon. Berlin 1986; Wilpert, Gero von: Sachwörterbuch der Literatur. Stuttgart 1989.
JOACHIM LUCCHESI
→ Ästhetische Bildung – Lehrstückbegleitende Musik – Musikspiele – Musisch-ästhetische Erziehung – Schulmusical – Schuloper