Zeitungstheater

Das Z ist ein fester Bestandteil des aktivierenden → ,Theaters der Unterdrückten‘ von Augusto → Boal. Von allen dort vorgestellten Methoden dient es am stärksten der politischen Aufklärung und Agitation. Das Boalsche Z umfasst elf Techniken, die kurz skizziert und mit einigen Praxisbeispielen aus der politischen Bildungsarbeit illustriert werden.

Einfaches Lesen: Es wird nur ein Teil einer Zeitungsmeldung kommentarlos vorgelesen. Wenn z. B. die Kosten für einen Panzer einfach vorgelesen werden, kann die Meldung (etwa: ,Hunderttausende Euro für Rüstung!‘) klarer werden.

Vervollständigendes Lesen: Bei dieser Methode werden notwendige Hintergrundinformationen hinzugefügt. Wenn bei einem Artikel für die Aktion ,Brot für die Welt‘ hinzugefügt wird, dass es immer mehr Millionäre gibt, wird eine erweiterte politische Dimension der Problematik aufgezeigt.

Gekoppeltes Lesen: Nachrichten in Zeitungen, die sich widersprechen oder sich gegenseitig aufheben, werden zusammengebracht und ergeben somit einen anderen Sinn. Oftmals genügt es schon, Nachrichten gegenüberzustellen. Zwei Meldungen über ein Flüchtlingslager auf der kanarischen Ferieninsel Fuerteventura und einen Reisebericht miteinander in Verbindung zu bringen, kann zum Nachdenken  anregen.

Rhythmisches Lesen: Zeitungsmeldungen werden in verschiedenen Rhythmen gelesen. Eine Reportage über das Leben von Sozialhilfeempfängern mit der Nationalhymne in Verbindung gebracht oder mit einem Salsa-Rhythmus vorgelesen, können unterschiedliche  Reaktionen hervorrufen.

Untermaltes Lesen: Die Botschaft einer Nachricht kann verstärkt werden, indem mit Phrasen oder Politikersprüchen die Meldung in einen anderen Kontext gesetzt wird. Man kann z. B. die Arbeitslosenzahlen in den neuen Bundesländern und den Ausspruch ,blühende Landschaften‘ miteinander in Verbindung bringen.

Pantomimisches Lesen: Mit Hilfe von → Pantomime werden Nachrichten ausdrucksstark dargestellt.

Improvisierendes Lesen: Eine Variante des pantomimischen Lesens, bei der verschiedene Darstellungsweisen benutzt  werden können.

Historisches Lesen: Die aktuellen Nachrichten werden in Bezug zur Geschichte gesetzt oder in eine andere, unpassende Epoche versetzt. Man kann z. B. die Gewinne der Firmen, die während des deutschen Faschismus Zwangsarbeiter einsetzten, in Verbindung mit der kläglichen Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter bringen.

Konkretisierendes Lesen: Aufgrund der Flut von Nachrichten und Meldungen sowie des dazugehörigen abgenutzten Vokabulars kann es zur Abstumpfung des Rezipienten kommen. Deshalb kann es sinnvoll sein, ,verbrauchte Wörter‘ (etwa: Zweidrittel-Gesellschaft, Arbeitslosigkeit, Globalisierung) in Szene zu setzen oder grafisch darzustellen, um die Wörter und ihre Bedeutung wieder zu neuem Leben zu erwecken.

Pointiertes Lesen: Der Text wird in einem anderen Genre vorgelesen. So kann der Bericht eines Kriegseinsatzes deutscher Bundeswehrsoldaten, als Kochrezept vorgelesen, Verwirrung stiften.

Kontext-Lesen: Die Nachricht wird in einen sozialen Kontext gestellt. Wenn etwa über eine Demonstration von Kurden berichtet wird, kann man die Meldung in einen sozialen Kontext stellen, wenn das soziale und politische Leben der Kurden in der Türkei dargestellt wird (z. B das bisherige Sprachverbot des Kurdischen, Folterung von politischen Häftlingen).

Das Z wird von vielen in der politischen Bildungsarbeit eingesetzt. So entwickelte z. B. Daniel Feldhendler das lebendige Z für den Fremdsprachenunterricht und Harald Hahn und René Zind verbinden das Z in ihrem Mitmachtheater ,Die Zeitungsredaktion‘ mit dem → Statuentheater von Augusto Boal.

Boal, Augusto: Theater der Unterdrückten. Frankfurt a. M. 1989; Feldhendler, Daniel: Aus dem Leben gegriffen! Szenische Darstellung von Zeitungsnachrichten. In: Ruping, Bernd: Gebraucht das Theater! Die Vorschläge von Augusto Boal. Münster, Hamburg 1993; Hahn, Harald/Zind, René: Die Zeitungsredaktion. In: Korrespondenzen, 2001, H. 37; Schmidt, Monika: Vom Zuspitzen der Widersprüche. Das Zeitungstheater Augusto Boals. In: Ruping,  a.a.O.

HARALD HAHN

Arbeitertheater – Bibliodrama – Deutsch als Fremdsprache – Mitspiel(theater) – Szenische Interpretation– Übungsfirma